Verein zur Förderung des Ägyptischen Museums e.V.

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Berichte chronologisch

Juli 2005: Masterplan: Das Ägyptische Museum und Papyrussammlung im Alten Museum

Als mit dem Selbstmord der Kleopatra im Jahr 30 v. Chr. die Geschichte Altägyptens ihr Ende findet, erfährt die altägyptische Kultur in einer erstaunlichen Gegenbewegung eine weltweite Verbreitung. Mit den altägyptischen Kulten der Isis und des Osiris gelangen ägyptische Götterbilder nicht nur nach Italien, sondern bis nach Pannonien, Germanien, Gallien, Britannien. Heiligtümer ägyptischer Götter sind in den römischen Ruinen von Regensburg und Köln, Paris und London ausgegraben worden.

Als mit der Schließung des Ägyptischen Museums im Östlichen Stülerbau in Charlottenburg am 1. März 2005 zwar nicht das Ende dieses Museums drohte, aber doch eine vorübergehende Lücke im Netzwerk der Berliner Museen klaffte, eine Lücke, die angesichts sehr hoher Besuchernachfrage als störend wahrgenommen wird - wenn auch Nofretete in der Sonderausstellung im Kulturforum am Potsdamer Platz (Museumsjournal II/2005, xx-xx) für reges Leben sorgt - , so erlebt gerade während dieser vorübergehenden Schließung das Ägyptische Museum weltweit nie gekannte Erfolge.

Im Museo Nacional de Antropologia in Mexico City werden täglich bis zu 7000 Besucher in der Sonderausstellung 'faRAon - El culto al sol en el antiguo Egipto' gezählt. Über einhundert Spitzenobjekte aus Berlin nehmen zusammen mit fünfzig Leihgaben aus dem Ägyptischen Museum München auf die archetypischen Analogien zwischen Altägypten und den vorspanischen Kulturen Mittelamerikas Bezug und lösen damit bei den mexikanischen Betrachtern ein déjà-vu- Erlebnis aus, das die präkolumbische Kunst, Kultur und Religion Mesoamerikas neben das pharaonische Ägypten stellt. Diese erste große, thematisch auf den Ausstellungsort hin konzipierte Ägypten-Ausstellung in Mexiko wird bis zum Ende ihrer Laufzeit am 10. Juli 2005 mehr als eine halbe Million Besucher empfangen haben.
Gleichzeitig präsentiert sich Altägypten im Rahmen des German Year in Japan in der vom Ägyptischen Museum Berlin kuratierten Sonderausstellung im National Museum Tokio 'Visions of the Divine - Masterpieces of the Museum Island Berlin' als ein wesentlicher Bestandteil der Konzeption der Museumsinsel - ebenso ein Vorgriff auf künftige Entwicklungen wie die Einbeziehung des Museums für Vor- und Frühgeschichte und der Gemäldegalerie in dieses Ausstellungskonzept. Tägliche Besucherzahlen über 5000 sind für Tokio nicht ungewöhnlich und werden sich bei der zweiten Station der Ausstellung in Kobe noch steigern.

Für das Ägyptische Museum sind diese Ausstellungen in Japan und Mexiko nicht nur wegen des Interesses eines Millionenpublikums eine wichtige Erfahrung, sondern mehr noch aufgrund der Veränderungen, die die Berliner Objekte im Ambiente der Inszenierungen an fremdem Ort erfahren. Großzügige Raumsituationen, optimale Nutzung der ausgezeichneten Beleuchtungstechnik durch die Berliner Leihgeber, spannungsreiche thematisch bedingte Objektkonstellationen eröffnen für viele Werke neue, bislang kaum wahrgenommene Aspekte.

Müssen wir die uns anvertrauten Kunstwerke um die Welt reisen lassen, um sie so zu erleben, wie sie sein könnten, wenn auch in Berlin die Voraussetzungen für eine optimale Präsentation gegeben wären? Das Ägyptische Museum verfügte in seiner 180-jährigen Geschichte nie über diese Voraussetzungen. 1830 war die altägyptische Kunst noch nicht würdig, in das neu eröffnete Alte Museum aufgenommen zu werden. 1850 erfuhr zwar Ägypten im Neuen Museum einen großartigen Auftritt, in dessen Mittelpunkt jedoch das historische Konzept von Richard Lepsius stand, in bunten Bildern an Wände und Decken der Ausstellungsräume gemalt, während die Originale in den unbeleuchteten Räumen als Staffage dienten. Mit den Fundteilungen aus den großen Grabungen in Abusir und Amarna und durch die lebhafte Erwerbungstätigkeit wurde das Museum bald zum Studienmagazin. Nach Evakuierung, Abtransport nach Moskau, Leningrad, Celle und Wiesbaden und der Rückkehr in die geteilte Stadt boten die Interimsstandorte Bode-Museum und Östlicher Stülerbau zwar für Jahrzehnte auskömmliche Ausstellungsbedingungen. Wer aber die künstlerische Qualität der Berliner Aegyptiaca erleben wollte, griff zu Archivphotos oder zu den meisterlichen Aufnahmen von Margarete Büsing und Jürgen Liepe, in denen allein sichtbar wurde, welche Kunstschätze dieses Museum birgt.

Ein großer Schritt in Richtung einer adäquaten Präsentation der ägyptischen Sammlung steht unmittelbar bevor. Am 3. August 2005 wird das 175. Jubiläum der Staatlichen Museen zu Berlin mit der Rückkehr Altägyptens in den Kosmos der Insel-Museen begangen. Das Kuratorium Museumsinsel hat die finanziellen Voraussetzungen geschaffen, das ganze Obergeschoß des Alten Museums am Lustgarten für das Ägyptische Museum bereitzustellen. Das Architekturbüro Hilmer-Sattler-Albrecht hat das durch viele Sonderausstellungen verbaute Geschoß auf die Schinkelschen Räume zurückgeführt; Günter Krüger hat ein Ausstellungsdesign entworfen, das in dezentem Tageslicht mit Kunstlicht-Unterstützung weite, transparente Ausstellungsflächen schafft. So ist zu erwarten, dass bei vielen Kunstwerken ein Effekt eintritt, der sich schon seit Anfang März 2005 bei der Büste der Nofretete im Kulturforum beobachten lässt. Die großzügige Raumsituation, die gedämpfte Helligkeit, eine minutiös justierte Ausleuchtung haben das weltbekannte Kunstwerk in neuem Ambiente so sehr verändert, dass es in seiner transparenten Farbigkeit und lebhaft strukturierten Oberfläche völlig abrückt von dem vertraut gewordenen Idealbild faltenloser Jugendlichkeit.
Auch in der Neuaufstellung wird Nofretete im Mittelpunkt stehen - ganz wörtlich genommen. Vom Mittelsaal des Obergeschosses der Nordgalerie des Alten Museums blickt sie durch die verglasten Türöffnungen quer durch die Rotunde hinaus zum Lustgarten; die Besucher nehmen vom Altan der Schinkel-Treppe diesen Blick auf, bevor sie sich auf den Weg zum berühmtesten Kunstwerk des Museums machen. Es ist kein chronologisch gegliederter Weg durch die Jahrtausende, sondern eine Begegnung mit zwei fundamentalen Aspekten der altägyptischen Kunst, mit Kontinuität und Wandel.

In der Ostgalerie ist der reiche Bestand an Skulpturen nach ikonographischen und formalen Gesichtspunkten zu Gruppen zusammengestellt. Am Anfang steht die Königsplastik; in 2500 Jahren beschränkt sie sich auf einige wenige Darstellungstypen, aber innerhalb dieses engen Rasters entwickelt sich eine stilistische Vielfalt, die den Wandel des Königtums vom gottähnlichen Pharao der Pyramidenzeit um 2400 v. Chr. über den Realpolitiker des Mittleren Reiches um 1850 v. Chr. bis zum makedonischen Fremdherrscher der Ptolemäerzeit um 100 v. Chr. umgreift und damit indirekt in die Dimensionen altägyptischer Geschichte einführt. Die folgenden Ausstellungseinheiten gliedern die Skulptur in formale Typen: Stand-Schreit-Figur, Sitzfigur, Knie- und Würfelfigur, Gruppenstatuen und Porträtköpfe. Jede dieser Abteilungen ist in sich historisch aufgebaut, so dass innerhalb einer formal geschlossenen Werkgruppe die Stilvariationen durch die Jahrtausende deutlich werden, deutlicher als in einer primär historisch strukturierten Ausstellung. Diese neuartige Anordnung verarbeitet die Erfahrung, dass das Interesse der Besucher weniger den exakten Datierungen der Kunstwerke gilt, sondern der Lebendigkeit und Präsenz ägyptischer Kunst, die sich aus beständiger Veränderung speist und damit dem Vorurteil des statischen Beharrens zutiefst widerspricht.

Der Kunst um Echnaton und Nofretete, der Amarnazeit um 1350 bis 1335 v. Chr., wurde bei der Planung der Neuaufstellung besonders viel Raum vorbehalten. In einer doppelseitigen Galerie sieht sich der Besucher den Blicken der Porträtstudien aus Gips ausgesetzt, die bei den Berliner Amarna-Grabungen 1912 in der Bildhauerwerkstatt des Thutmosis gefunden wurden. Dann steht er vor einem großen Podest in der Raummitte, auf dem sich die Porträtköpfe von König, Königin und Prinzessinnen wie in lebhaftem Gespräch zueinander gruppiert haben. Der zentrale Raum der Nordgalerie ist ganz auf die Büste der Nofretete ausgelegt, deren groß dimensionierte Spezialvitrine einen Raum im Raum schafft. Nur wenige weitere Werke treten hinzu, der Berliner Hausaltar als Ikone der Aton-Religion, die 'Simonsche Holzfigur' des Echnaton (nach ihrem Stifter James Simon benannt, dem das Museum die ganze Amarna-Abteilung verdankt), die kleine Kalkstein-Statue der Nofretete und, beide verbindend, jenes Handpaar von einer Doppelfigur des Königspaars, Inbegriff irdischer Harmonie als Abbild der Harmonie zwischen Mensch und Gott.

Unvollendet gebliebene Statuen aus den königlichen Werkstätten, Reliefskizzen und die Stele des Hofbildhauers Bak leiten von Amarna über zur Welt der Künstler und Handwerker und zum Themenbereich Kulturgeschichte. Ihm war im Stülerbau in Charlottenburg nur wenig Raum zur Verfügung gestanden. Im Alten Museum können in Großvitrinen die Themenbereiche Lebensraum Niltal, Landwirtschaft, Wohnkultur, Alltagsleben, Kosmetik, Musik ausführlich dargestellt werden.
Zwei Berliner Spezifika schließen sich an. Der antike Sudan, in Berlin neben Khartum, Boston und London hervorragend vertreten, tritt repräsentativ im Goldschatz der meroitischen Königin Amanishakheto und in meroitischen Reliefs in Erscheinung - ein Hinweis auch auf die laufende Forschungstätigkeit des Ägyptischen Museums im Sudan. Die Papyrussammlung, eine der größten ihrer Art weltweit, zeigt die Originalhandschriften der Klassiker der altägyptischen Literatur, den Sinuhe-Roman, das Gespräch des Lebensmüden, die Märchen des Papyrus Westcar, greift aber weit über die altägyptische Epoche aus und verfolgt mit griechischen, aramäischen, koptischen und arabischen Handschriften die Schriftkultur bis ins 10. Jahrhundert n. Chr.

Die bis zu zehn Meter langen illuminierten Totenbuch-Papyri finden sich im anschließenden Themenbereich 'Jenseits und Ewigkeit'. Über zwei Jahrtausende spannt sich der zeitliche Bogen der Sepulkralkultur von den bemalten Kastensärgen des Mittleren Reiches bis zu den Mumienporträts der Römerzeit. Die vielgestaltige Götterwelt, die diese Jenseitswelt bevölkert, bietet die thematische Verknüpfung mit dem abschließenden Ausstellungsbereich, der Einblicke in die vielschichtigen Strukturen der altägyptischen Religion bietet und sich bemüht, den altägyptischen Gottesbegriff unter dem Stichwort 'Der Eine und die Vielen' als ein Gefüge aus einer übergeordneten Gottesvorstellung und vielen Namen und Gestalten Gottes zu erklären.

Ein dominanter Abschluß des Rundgangs, zwei monumentale Statuen der löwenköpfigen Göttin Sachmet, ist gleichzeitig der Auftakt für einen Rundgang in gegenläufiger Richtung, wie er von Schulklassen gewählt werden wird, deren Arbeitsprogramm im Bereich der Religion und Kulturgeschichte liegt.
Ein neuer Kurzführer und eine neu konzipierte Audioführung erschließen die Ausstellung. Im Eingangs- und Ausgangsbereich (dort auch ein großer Buchladen) lässt sich an Wandtafeln die Geschichte des Ägyptischen Museums von seinen Anfängen in der kurfürstlich brandenburgischen Kunstkammer 1698 bis zur Vollendung der Ausbaupläne der Museumsinsel (2015?) verfolgen.
Daß Altägypten heute zu einem lebendigen Bestandteil eines Gesamtbildes der Antike gehört, wird auch in einer Lichtskulptur von Maurizio Nannucci im Bereich der Schinkel-Treppe sichtbar werden: 'All art has been contemporary.'

Anfang 2009 wird der endgültige Umzug des Ägyptischen Museums in das wieder aufgebaute Neue Museum beginnen, das im Oktober 2009 eröffnet werden soll. Bis dahin wird sich die Ausstellung im Alten Museum beständig verändern. Sie erfährt Zuwachs durch Objekte, die in einem langfristigen Restaurierungsprogramm, das aus Haushaltsmitteln und durch Zuwendungen des Vereins zur Förderung des Ägyptischen Museums Berlin finanziert wird, nach Jahrzehnten in den Depots wieder ans Tageslicht kommen. Sie ist aber auch die Probebühne, auf der Konzept und Gestaltung der endgültigen Ausstellung unter den Augen der Öffentlichkeit getestet und optimiert werden. So wird der lange Zeitraum bis zur Wiedereröffnung des Neuen Museums 70 Jahre nach seiner Schließung letztlich zur Gnade der späten Planung.

Dietrich Wildung
(Artikel der Mitgliederzeitschrift aMun)

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