Es ist fast genau ein Jahr her, als ich zum ersten Mal das Archäologische Zentrum in Berlin betrat. Etwas verwundert stand ich erst vor der Hausnummer acht und konnte die sechs und die Pförtner, die hinter der Tür mit dieser Nummer sitzen sollten, nicht finden. Ein Jahr später kenne ich nicht nur den Weg auswendig, sondern habe auch gelernt, dass nicht immer der gerade Weg ans Ziel führt.
Ein paar Monate nach diesem ersten Besuch hatte ich das große Glück, für ziemlich genau ein Jahr im Haus in der Geschwister-Scholl-Straße arbeiten zu dürfen. Nach meinem gerade abgeschlossen Abitur war ich natürlich durchaus nicht in der Lage, Mumien, Keramiken oder Papyri zu bestimmen. Doch war das auch nicht der Sinn meiner Arbeit. Als Freiwillige Mitarbeitern des sozialen Jahres im kulturellen Bereich, eine Bezeichnung, die ich seit meiner Vorstellung vor meinen Kollegen nie wieder benutzt habe, hatte ich die Möglichkeit, für ein Jahr hinter die Kulissen des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung Berlin zuschauen.
Warum aber ein Museum und dann ausgerechnet das Ägyptische? Während meiner Schulzeit konnte ich in der Oberstufe an einer Kursfahrt nach Luxor teilnehmen. Dass ich später einmal Originalobjekte von dort hautnah sehen würde, wusste ich damals natürlich noch nicht. Die Euphorie meines Lehrers, die schönen großen Tempel mit Namen wie Deir el Bahari oder ewig lang erscheinende Gräber faszinierten mich. Außerdem spielte ich damals mit dem Gedanken, Kulturwissenschaften zu studieren. Ein FSJ im Ägyptischen Museum erwies sich als eine der besten Entscheidungen, um auf die Arbeit im Museum vorbereitet zu werden.
Zunächst arbeitete ich viel mit der Datenbank: ich legte neue Datensätze an und besserte Alte auf. Ich druckte Objektlisten aus und machte in ihnen Notizen. Was sich nun sehr stupide anhört, macht doch sehr viel Spaß! Ich kam schnell in Kontakt mit alten Expeditionsfotos, Grabungstagebüchern und beendete im Januar Dank einer anderen Praktikantin meine erste Revision. Wir nahmen Fotos auf, maßen und wogen rund 450 kleine Udjat - Augen, also Amulette in Form des Horus-Auges, die die Ägypter vor „bösen Blicken“ schützen sollten. Ich denke, dass ich vor bösen Blicken in den nächsten Jahren erst mal keine Angst zu haben brauche. Außerdem bekam ich Einblicke in die Depotverwaltung, die Papyri-Bestimmung und die Vitrinen-Umgestaltung, eine Arbeit, die ich auch am Ende meines Jahres noch sehr gerne mache.
Schließlich arbeitete ich ab Februar sehr intensiv an meinem Projekt. Während des Freiwilligen Jahres soll ich ein Projekt entwickeln und begleiten, dass bis zum Ende des Jahres fertig werden sollte. Nach einigem Hin - und Herüberlegen kam ich auf die Idee, ein Kinderausmalbuch mit Motiven des Mythologischen Saals im Neuen Museum zu gestalten, da es etwas derartiges noch nicht gab. Dieser Saal hat mich wegen seiner wunderschön gestalteten Decke fasziniert. So begann ich einige Tiere und Wesen von der Decke abzuzeichnen. Es sollte mein hoffentlich erstes richtiges Buch werden. Damals ging ich davon aus, dass das Buch innerhalb ein paar Monate fertig sein würde: Die Bilder müssen schließlich nicht ausgemalt werden, ein paar Texte für Erklärungen, ein Cover und fertig! Doch das stellte sich dann alles etwas anders heraus. Zunächst brauchte ich finanzielle Unterstützung, um das Buch drucken lassen zu können. Ich bekam Beratung zu Fördergeldern und musste nach möglichen Förderern suchen und deren Kriterien beachten. Am Ende schrieb ich einen Antrag auf finanzielle Unterstützung an den Förderverein. Ich habe mich sehr über die positive Rückmeldung des Fördervereins gefreut, ohne dessen Hilfe ich jetzt nicht so weit gekommen wäre und möchte mich bei allen Beteiligten für das Vertrauen und die Unterstützung bedanken! Nachdem das erste Problem gelöst war, kam das zweite: die Texte. Wie schreibt man einen Text für kleine Kinder? Einfach soll er sein, keine Fremdworte enthalten und vor allem nicht so lang sein. Ich habe gefühlt ewig gebraucht, um ein paar Zeilen für das junge Publikum zu schreiben. Nachdem ich die Texte mehreren Personen und auch meiner 12 jährigen Schwester zum Kontroll-Lesen aufgedrängt habe, war auch diese Hürde genommen. Nun wollte ich auch aber noch kurz erklären, was die Motive bedeuten. Nur war mir nicht bewusst, dass einige der Motive noch gar nicht identifiziert werden konnten. Die Recherche und das Schreiben der Texte haben sich dann doch bis in den Mai hineingezogen. Nachdem aber schließlich auch diese Arbeit fertig war, war ich motivierter denn je, das Buch zu Ende zu bringen, um am Ende des Jahres eine eigene kleine Erinnerung in den Händen halten zu können. Nun begann der Teil, der mir neben dem Zeichen der Bilder, wahrscheinlich am meisten Spaß gemacht hat: das Layouten des Buches. Zum jetzigen Stand habe ich eine fertige
PDF-Datei des Buches, auf die ich sehr stolz bin.
In zwei Monaten wird mein Jahr im Museum leider vorbei sein. Ich habe nicht nur unheimlich viel über Ägypten und die Arbeit im Museum gelernt, die mir auch die Suche eines Studiengangs erleichterte. Ich hatte auch wahnsinnig nette Kollegen und Betreuer, die mir immer geholfen und mich unterstützt haben, auch wenn der Weg manchmal nicht besonders gerade verlief. Die Geschwister-Scholl-Str. Nummer 6 werde ich nicht mehr vergessen. Und ich habe gelernt, dass sich ein meist umständlicher Weg am Ende lohnt. Auch der Schacht zu dem Grab Ramses’ II. war nicht nur fünf Meter lang ...
Text- und Bildgestaltung: Friederike Grosinski (Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung)