Verein zur Förderung des Ägyptischen Museums e.V.

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Berichte chronologisch

März 2017: Menschen: Nachruf Prof. Dr. Karl-Heinz Priese
*25.06.1935 - †27.01.2017

Sortieren, revidieren, ordnen - Arbeit hinter den Kulissen


Das Ägyptische Museum und Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin trauert um Prof. Dr. Karl-Heinz Priese, der im Alter von 81 völlig unerwartet verstorben ist.

Karl-Heinz Priese wurde am 25. Juni 1935 in Ziesar geboren. Sein Abitur legte er 1954 am Gymnasium Schulpforta bei Naumburg ab. Von 1954 bis 1958 studierte er an der Berliner Humboldt-Universität im Hauptfach Ägyptologie. Dort promovierte er im Jahr 1964 bei Fritz Hintze, der auch seine Habilitation 1974 betreute. Bis 1978 war er als Assistent bzw. Oberassistent am Institut für Ägyptologie und Sudanarchäologie der Humboldt-Universität zu Berlin tätig. Dort entwickelte er sich zu einem gefragten Experten der Sudanarchäologie/Meroitistik, denn sowohl seine Dissertation als auch die Habilitation widmeten sich Fragestellungen aus diesem Kulturkreis, dem er Zeit seines Lebens aufs Engste verbunden blieb. Während seiner Zeit an der HU nahm er auch aktiv an den Ausgrabungen des Instituts in Musawwarat es-Sufra im Sudan teil.

Nachdem er 1978 von der Humboldt-Universität als Kustos an das Ägyptische Museum (Ost) wechselte, leitete er das Museum als Direktor zwischen 1988 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2000. Mit Beginn seines Wirkens richtete Karl-Heinz Priese sein Hauptaugenmerk auf die Bestandsrevision, da die Arbeiten zur Feststellung der Kriegsverluste noch nicht abgeschlossen waren. Erst der politische und gesellschaftliche Wechsel 1989 machte es möglich, eine systematische Überprüfung aller Magazinbestände durchzuführen, die bis zu seiner Pensionierung weitgehend abgeschlossen werden konnte. Wie oft kam er mit einem Lächeln aus einem der Depots um zu verkünden, dass er diesem oder jenem Fragment seine Provenienz zurückgeben konnte - eine Leidenschaft, die er sich über die Jahrzehnte bewahrte. Wir verdanken ihm nicht nur die Identifikation vieler Stücke sondern auch zahlreiche Inventarisierungen, die bei vielen Neuerwerbungen bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nicht erfolgt war. Seine Einträge sind zumeist um exzellente Skizzen ergänzt, die den geübten archäologischen Zeichner erkennen lassen.

Neben diesen arbeits- und zeitintensiven Betätigungen versäumte es Karl-Heinz Priese nicht, das globale Erscheinungsbild des Museums weiter zu gestalten. Die Sammlung war trotz der besonderen Situation, die zu DDR-Zeiten existierte, stets ein gefragter Partner für internationale Projekte und Ausstellungen. Wie sein Amtsvorgänger pflegte er entgegen aller Widrigkeiten den Austausch mit dem Ägyptischen Museum (West) in Charlottenburg und ermöglichte zahlreichen Fachkollegen aus dem In- und Ausland die Arbeit mit den Sammlungsobjekten. Zu den international beachteten Vorhaben gehörte auch die von Ingeborg Müller und ihm konzipierte erste große Sonderausstellung des Museums in Japan im Jahre 1988/89, die in fünf Städten gezeigt und von mehr als 500.000 Besuchern begeistert aufgenommen wurde.

In die Amtszeit von Karl-Heinz Priese fiel auch die anlässlich der Sanierung des Bode-Museums erfolgte Neugestaltung der ständigen Ausstellung des Ägyptischen Museums, die am 25. April 1989 feierlich eröffnet wurde. Diese fand in der Fachwelt und bei den Besuchern viel Anerkennung, ebenso die allgemein verständliche 'Wegleitung' (Berlin 1989) und der bis heute genutzte Bildkatalog zu den Ausstellungshighlights (Mainz 1991).

Auch nach der Zusammenführung der ehemals in Ost und West getrennten Sammlungsteile trug Karl-Heinz Priese an der von nun an existierenden 'Doppelspitze' entscheidend zum Erfolg vieler Sonderausstellungen bei. Seine umfassende Kenntnis des gesamten Bestandes war auch Grundlage für die Wiedereinrichtung des Neuen Museums, obgleich dessen Eröffnung im Jahre 2009 einige Jahre nach seiner Dienstzeit erfolgte. So ist die Neuaufstellung der drei Opferkammern aus dem Alten Reich seinen Ideen und akribischen Planungen zu verdanken. Angefangen hatte er mit der Opferkammer des Merib, von deren Hauptwänden er Gipsabformungen mit rekonstruierter Farbfassung anfertigen und in die Ausstellung im Bode-Museum einbauen ließ ('Die Opferkammer des Merib', Berlin 1984).

Während seiner gesamten Laufbahn blieb Karl-Heinz Priese dem antiken Sudan besonders verbunden, was sich deutlich in seiner Bibliographie niederschlug, zu der auch die maßgebliche Publikation 'Das Gold von Meroe' (1992) zählt. Seine herausragende Kennerschaft der Materie machte ihn zu einem vielgefragten und international geschätzten Diskussionspartner. Daneben profitierten vor allem die Studenten der Humboldt-Universität von seiner Lehrtätigkeit zu den Sprachen des Nubischen Raumes.


Auch nach seinem aktiven Dienst blieb Karl-Heinz Priese dem Museum aufs Engste verbunden. Insbesondere in den letzten Jahren half er bei der Sichtung und Ordnung von Archivalien in Vorbereitung der Digitalisierung. Seine intensive Arbeit damit zeigt sich allein in der internen Benennung: so werden die ursprünglich von Günther Roeder angelegten braunen A5-formatigen Briefumschläge, in denen Objektunterlagen gesammelt wurden, häufig als 'Priese-Tüten' bezeichnet.

Von seiner schier unerschöpflichen Kenntnis der Sammlung und ihrer Objekte profitierten nicht nur die langjährigen Kollegen, sondern auch viele jüngere Wissenschaftler, die seit seinem Ruhestand in der Sammlung arbeiten. Sie alle fanden in ihm einen stets ansprechbaren und hilfsbereiten Partner. Für all diese Verdienste dankten die Mitarbeiter des Museums Karl-Heinz Priese zum 80sten Geburtstag mit einer ihm gewidmeten 'Museumsgabe'.

Seine Passion für die sorgfältige Erfassung, Dokumentation und Erforschung von Kulturgut schloss nicht nur die Objekte der Sammlung ein, sondern auch mittelalterliche Epitaphe aus der Mark Brandenburg. Mit dieser akribischen Arbeit setzte er Maßstäbe für die lokale Historienforschung.

An ein 'Aufhören' hatte er nie gedacht, auch für 2017 hatte man sich bereits Vieles vorgenommen. Die Lücke, die der unerwartete Tod von Karl-Heinz Priese innerhalb des Ägyptischen Museums hinterlässt, vermag niemand mehr zu schließen. Sein Name wird als der Direktor in die Annalen des Berliner Ägyptischen Museums eingehen, der den Sammlungsbestand nach den Wirren und Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges sowie nach der jahrzehntelangen deutschen Teilung zusammengeführt, revidiert und geordnet hat. Er hat damit dem Ägyptischen Museum einen Großteil seiner Identität zurückgegeben.


Klaus Finneiser, Dr. Jana Helmbold-Doyé und Prof. Dr. Friederike Seyfried im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ägyptischen Museums & Papyrussammlung

Die Zusammenstellung der Fotos verdanken wir Dr. Caris-Beatrice Arnst

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